Back to the Grindhouse!

Von dicken Hamburgern und trashigen Filmen

Sind wir doch mal ehrlich: Der gemeine Europäer – vor allem der Deutsche, und hierbei: das intellektuelle Bürgertum –, neigt gerne zum Augenrollen, sobald es um die amerikanische Kultur geht. Kultur? Heißt es. Was denn für eine Kultur? Selbst Joghurt bringt nach 100 Jahren mehr zustande als die USA. Also wird gemeinhin die Idee von Fast Food verachtet – der kulinarische Imperialismus aus Pommes Frites, Cheese-Burger und Cola XXL. Oder Actionfilme, in denen es mehr Explosionen als Sprechrollen gibt. Oder die Politik, die man kaum mehr ernst nehmen kann, wenn man sich mal so einen Donald Trump näher anschaut. (Zugegeben, besonders Donald Trump ist kein Musterexemplar der US-amerikanischen Leitkultur). Aber ist denn alles schlecht?

Klare Antwort: Nö!

Eine amerikanische Filmexkursion

Der American Way of Life hat gerade dem europäischen Schwergewicht aus Zeitgeschichte und Historienverbrämung so einiges voraus – zumindest wenn es um solche Dinge geht wie Unbekümmertheit und Entertainment. Stichwort: Film. Welche Kultur (ja, Kultur!) konnte beispielsweise etwas Vergleichbares schaffen wie das Grindhouse-Genre?

Dabei handelt es sich hauptsächlich um sogenannte Exploitationsfilme, die vor allem in den 60er, 70ern und 80ern populär wurden und hier ihre Blütezeit erlebten. Grund dafür waren vermutlich vor allem explizite Sexszenen und drastische Gewaltdarstellungen sowie abenteuerliche Erzählbogen, die manchmal an hanebüchener Absurdität grenzten. Wie beispielsweise Ilsa, She Wolf of the SS (1974), einem in Deutschland unveröffentlichten Film über die SS-Schergin Ilsa, die als amoralische und sadistische Kommandantin ein Terrorregiment über ein deutsches Konzentrationslager im Jahre 1945 führt. Oder Mad Max (1979), dessen vierter Teil mit einer leichten Verzögerung von nur knapp 30 Jahren 2015 in die Kinos kam: Protagonist der Endzeit-Reihe ist der ehemalige Polizist Max Rockatansky, der sich durch die Ödnis Australiens schlägt und dabei mehr als einmal sein Leben riskiert.

Mad Max mit seinem Hund namens Hund. Quelle: Mad Max 2: The Road Warrior / Warner Bros. \[…\] [Weiterlesen…](https://quisine.quandoo.de/stories/317/attachment/mad_max_2/)

In den reißerischen und zum Teil ziemlich kostengünstig produzierten Filmen flogen die Fetzen und auch das Kunstblut floss in Strömen. Die Grindhouses spezialisierten sich insbesondere auf B-Movies und fassten zwei Filme eines oder mehrerer Genres zusammen, ganz getreu dem Motto: zwei zum Preis von einem – wie vor einigen Jahren das Grindhouse Double Feature Planet Terror / Death Proof (2007) von Quentin Tarantino und Robert Rodriguez eindrucksvoll selbstironisch unter Beweis gestellt hat. Und apropos Ironie und Tarantino.



Stichwort: Essen. Wie ein anderer kultureller (und dabei ziemlich leckerer) Gegenentwurf aussehen kann, beweist das Grindhouse – Homemade Burgers in Düsseldorf und auch in Berlin. Hier sucht man zwar vergebens den Trash-Schick der amerikanischen Exploitationsfilme – Interieur und Ambiente sind sehr viel stillvoller, alternativ und zudem von verschiedenen Künstlern, Designern und Fotografen kuratiert –, aber man findet ein großes Stück vom American Way of Life. Serviert werden nämlich saftige Burger mit täglich frisch gegrindetem Fleisch aus den besten Höfen der Region, nach denen sich Vincent Vega und Jules Winnfield, die Protagonisten aus Tarantinos legendärem Pulp Fiction (1994), regelrecht die Finger lecken würden.

Die Küche ist ur-amerikanisch: Inspiriert von der Burger-Metropole New York, bietet das Grindhouse seinen Gästen eine einzigartige Rezeptauswahl – teils ganz traditionell wie der Hamburger mit luftgetrocknetem dry aged Beef mit Tomaten, Romanasalat, Zwiebeln und der hausgemachten Grindhouse-Sauce, teils sehr edel wie der Trüffel-Heaven-Burger mit Trüffel-Entrecôte, sautierten Champignons und Grùyere-Käse. Dazu vielleicht ein hausgemachter Drink? Alles kein Thema!

Was das Grindhouse in Düsseldorf beweist, ist mehr als nur eine geschmackvolle Fast-Food-Alternative. Es zeigt vor allem, warum wir Deutschen immer wieder gerne in den Westen schielen – zu den Amerikanern, die wir aufgrund ihrer leichtsinnigen Lebensweise manchmal belächeln oder über die wir sogar erbost die Köpfe schütteln. Es ist die Unbeschwertheit, die uns in Wahrheit begeistert, die Schnelligkeit, mit der aus ein paar Zutaten etwas gefertigt werden kann, von dem man einfach nicht genug bekommt, und die Hingabe, mit der es entsteht.

Und überrascht das? Oh ja, so ziemlich. Denn wir versuchen das vehement zu leugnen.

Der Smokey BBQ mit Crispy Bacon, karamellisierten Zwiebeln und Cheddar Cheese. Quelle: Grindhouse – Housemade Burgers. \[…\]

Vom Zeitgeist der Moderne: Eine Hamburger-Analogie

Was uns einst durch Industrialisierung und Kapitalisierung im Namen globaler Ketten als Hamburger verkauft wurde, hat insbesondere die Deutschen negativ geprägt. Sicher. Die leutseligen Reklametafeln minderwertiger Produkte, die sich zudem als ungesund entpuppten – nein, wer wollte die auch? Stattdessen entwickelte sich in Deutschland im Laufe der letzten Jahre viel eher ein Trend zum homemade taste, einem Nachhaltigkeitsprinzip aus ausgesuchten Zutaten und kreativen Rezepten. Alles musste Bio sein, alles versiegelt und geprüft. So ein Mensch will immerhin wissen, was er isst – und wer er ist.

Nur gemischte Salate und Nussmischungen im Kopf? Weit gefehlt. Das Angebot passte sich der Nachfrage an, und Verzicht wollte sich keiner auf die Menükarten schreiben. Analog zu den Exploitationsfilmen, nutzte die Gastronomie nun ihr eigenes Potential aus – ihre unerschöpfliche Vielseitigkeit.

Was hieß das für die amerikanische Kultur, oder genauer: für ihren Gegenentwurf? Nun, auch die musste sich verändern, zumindest in ihrem Verständnis hier in Deutschland – und das nicht nur auf den Tellern der Restaurants. Heute sind nicht nur plattgedrückte Retortenburger eine absolut unverkäufliche Unmöglichkeit. Auch Filme, wie sie in den 60er, 70ern und 80ern produziert wurden, gelten als Wiedergänger einer untergegangenen Epoche, von der man lieber die Finger lässt. (Außer man heißt Tarantino oder Rodriguez).

Für alle, die keine Burger im Kino essen können, empfiehlt sich noch immer Popcorn. Quelle: Shutterstuck. \[…\] [Wei](https://quisine.quandoo.de/stories/317/attachment/kino_spannung/)

Während man in der Gastronomie großen Wert auf frische Zutaten und eine eindrucksvolle Geschmacksvielfalt legt, ohne dabei den Sinn für die klassischen Rezepte zu verlieren, setzt man in modernen Grindhouse-Filmen entweder auf sehr viel Selbstironie oder ein gehöriges Maß an beeindruckenden Special-Effekten. Oder im Idealfall beides.

Wenn wir heute also im Grindhouse in Düsseldorf sitzen und unseren Foie-Gras-Burger mit Babyspinat und einem Feige-Walnuss-Cognac-Chutney genießen, ist der Gedanke an die amerikanische Schnelllebigkeit komplett vergessen. Im Grunde denken wir vielleicht sogar überhaupt nicht mehr an die USA, sondern viel eher an das überraschend-leckere Essen. So ähnlich wie bei einem guten Film, der einen köstlich amüsiert – da fragt auch selten einer am Ende, wie der entstanden ist. Zumindest nicht, wenn’s um eine Grindhouse-Vorstellung geht.Tisch im Grindhouse reservieren

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