Der Stollen und seine Geschichte

Dies ist eine kleine Geschichte des Stollen. Interessiert dich die Geschichte des Glühwein auch? Dann kannst du darüber bei uns diesen Artikel lesen.

Im Grunde ist der Stollen ja zeitlos. Ist er doch konstant zur Weihnachtszeit eines der beliebtesten Gebäcke in Deutschland und auch in vielen anderen Ländern bekannt. Andererseits ist es aber auch faszinierend, dass der Stollen bereits mehrere Hundert Jahre alt ist. Zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde er wahrscheinlich 1329, in einem Schriftstück, mit dem sich die Mitglieder der Naumburger Bäckerinnung verpflichten, zu Weihnachten zwei Weizenstollen pro Bäcker an den Bischof und seinen Hof zu entrichten.

Allerdings hatte der damalige Stollen noch nicht viel mit seinen heute bekannten Nachfahren gemein. Denn damals waren viele heute alltäglich genutzte Gewürze noch nicht verfügbar. Und mehr noch: Damals war sogar die Verwendung von Butter verboten – die Adventszeit galt als Fastenzeit und Butter dementsprechend nicht als angemessen. Stattdessen wurde Öl verwendet; dem heutigen Gaumen würde dieser historische Stollen also kaum schmecken.

Angeblich hatte die Form des Stollens (das Wort stammt übrigens vom Althochdeutschen Pfosten) eine religiöse Bedeutung. In Verbindung mit einer dicken Schicht Puderzucker soll sie an das gewickelte Christkind erinnern. Dafür braucht man aber wohl etwas Fantasie …

Widmen wir uns lieber wieder dem Geschmack: Das Problem Öl vs. Butter war auch dem mittelalterlichen Menschen bewusst. Es waren die Sachsen, die als erste Klage darüber wagten. Genauer gesagt wandten sich Kurfürst Ernst und sein Bruder Herzog Albrecht direkt an den Stellvertreter Gottes auf Erden. Und tatsächlich zeigte der Papst Verständnis: Innozenz VIII. erlaubte im Jahr 1491 hochoffiziell die Verwendung von Butter für den Stollen auch während der Adventszeit – also den Christstollen bzw. Weihnachtsstollen.

Der Siegeszug des Stollen beginnt

Ab dem 15. und 16. Jahrhundert experimentierten Bäcker mit Gewürzen und Geschmackskompositionen. Übrigens auch unterstützt durch den regen Handel mit dem Morgenland, aus dem neue, vorher unbekannte, Gewürze in die christlichen Landen kamen und die ambitionierten Stollen-Bäcker inspirierten. Aus Sicht von uns Stollen-Liebhabern heutzutage ein sehr positives Beispiel für die Auswirkung der Globalisierung!

Übrigens: Heutzutage sind die wichtigsten Gewürze für den Weihnachtsstollen (ganz nach eigenem Geschmack natürlich) unter anderem Zitrone, Muskat, Vanille, Zimt, Anis, Ingwer, Kardamom, Nelken und mehr.

Historisch ebenfalls wichtig war die Einführung des Dresdner Striezelmarkts, der erstmals 1434 stattfand (und damit sogar vor dem Butterbrief). Gerade im 16. und 17. Jahrhundert entstand im Rahmen des jährlichen Striezel-Festivals ein regelrechter Wettbewerb. Aus den umliegenden Ortschaften – besonders aus Meißen und Siebenlehn – kamen die Bäckersleute heran, um sich gegenseitig zu überbieten. Zudem sah man den stollenförmigen Kuchen auch mehr und mehr als ein geradezu königliches Gebäck. Der Stollen wurde sozusagen selbst geadelt als besondere Spezialität – und hatte damit seinen festen Platz in der deutschen Backkunst endgültig sicher.

Riesenstollen und Rekorde

Wir alle haben den Stollen in seiner handelsüblichen Größe vor Augen. Meist bringen die „normalen“ Varianten irgendetwas zwischen 500 Gramm und 2 Kilogramm auf die Waage. Was für die meisten Familien eine praktische Menge ist. Und enorm beliebt: in Deutschland, Europa und sogar auf anderen Kontinenten. Pro Jahr werden weltweit mehrere Millionen Stollen verkauft! Zusammengerechnet also Gebäck im Bereich der Megatonnen. Und ein Ende der weltweiten Beliebtheit ist definitiv nicht in Sicht…

Zwar nicht im Bereich von Megatonnen, aber immer noch mächtig mit einem Gewicht von einer Tonne und mehr: Die Rekordstollen! Auch was dies angeht, gehen wir für den Ursprung viele, viele Jahre zurück in die Vergangenheit. Denn der erste Riesenstollen ist aus dem Jahre 1730 überliefert. Und zwar im Rahmen des Lustlager von Zeithain!

Künstlerische Darstellung des dt. Malers Thiele. Leider nicht im Bild: der Riesenstollen.

Dies war eine für damalige Verhältnisse gigantische militärische Truppenschau im Namen August des Starken. Dabei fuhr man allerlei Superlative auf – u.a. gab es ein mehrstündiges Feuerwerk. Und eben den vielleicht ersten Riesenstollen der Geschichte: Mehrere tausend Eier sowie tausende Kilogramm an Milch, Hefe und Butter wandte man auf, um ein Rekordgebäck von 1,8 Tonnen herzustellen.

Der Hang zum Rekord hat die Jahrhunderte überdauert. So ist es heute Tradition, dass der Dresdner Stollen e.V. beim Dresdner Stollenfest am Sonnabend vor dem zweiten Advent eine Riesen-Version präsentiert. Von diesem Ereignis stammt auch der bisherige Super-Rekord; im Jahre 2013 wog der Stollen des Fests fast 4.300 Kilogramm!

Tradition und Vielfalt

Apropos Dresden: Natürlich ist der Dresdner Christstollen der bekannteste seiner Art. Und tatsächlich darf sich nicht jedes Stollengebäck so nennen. Diese (und verwandte) Bezeichnungen sind nämlich seit 2010 nach europäischem Gericht geschützte Begriffe. Ganz so, wie man es z.B. auch vom Champagner kennt.

Der Dresdner Weihnachtsmarkt (findet 2020 leider nicht statt)

Und die Variante aus Dresden ist auch von den Zutaten die wohl meist verbreitete. Also die Version mit u.a. Orangeat und/oder Zitronat, Mandeln und Sultaninen. Dabei gibt es natürlich auch die Möglichkeit, viele andere Zutaten zu nutzen; manchmal nicht freiwillig. Manche der klassischen Komponenten waren in Zeiten der DDR gar nicht so einfach zu bekommen. Doch die ostdeutschen Bäcker behalfen sich mit kreativer Backkunst: So fanden z.B: Kürbis und Backobst in den Stollen. Vielleicht nicht ideal, aber wo ein Wille zum Stollen, da ist auch ein Weg zum Stollen!

Heute sind Alternativen zum Dresdner Original in Deutschland natürlich freiwillig – und vielfältig. Mandel-, Marzipan-, Nuss- und Quarkstollen sind wohl den meisten bekannt. Experimentierfreudige Gebäck-Genießer probieren aber z.B. auch mal einen Stollen mit Sauerkirschen und Überzug aus braunem Zucker oder die Variante Piña Colada. Auch vegane Stollen bekommt man heutzutage natürlich!

Klar ist: Letztlich gibt es beim Stollen kein richtig oder falsch. Der persönliche Geschmack entscheidet, ob es traditionell oder außergewöhnlich sein darf. In diesem Sinne wünschen wir guten Stollen-Appetit, schöne Stunden beim gemeinsamen Gebäck-Naschen und – als hätten wir im Zuge dieses Artikels nicht schon genug Appetit bekommen – schließen mit einer weiteren schönen Stollen-Zeichnung. Denn sogar künstlerische Inspiration kann man aus dem Stollen ziehen.

P.S. Und nicht vergessen: Obwohl die Hauptsaison für den Stollen natürlich der Winter ist, ist er ganzjährig erhältlich – es spricht also nichts dagegen, z.B. im Sommer ein Stück mit etwas kühlem Vanille-Eis zu genießen.