Essen mit Seele: Die Geschichte der Soul Food Kitchen
Soul Food: Die kulinarische Black-Pride-Bewegung
Wenn nicht nur die Musik Seele hat, sondern auch das Essen, muss keiner den Exorzisten rufen. Soul Food bezeichnet nämlich die verschiedentlichen Gerichte und Zubereitungsmethoden der afroamerikanischen Küche – insbesondere der Südstaaten.
Hier eine kleine historische Fußnote gleich zu Beginn: Öffentlich wurde der Begriff Soul Food bereits im Jahre 1964 während des Aufschwungs der Black-Pride-Bewegung in den Print-Medien geprägt. Der Name resultierte aus dem Bedürfnis nach spiritueller Verwandtschaft und Solidarität zwischen Afroamerikanern. Und sollte auch jene miteinander verbinden, die nicht der gleichen sozialen Schicht angehörten. Heute zählt der Begriff Soul Food definitiv der gleichen Kategorie von Begriffen an wie Soul Brother/Sister und Soul Music, die ebenfalls zu Zeiten Martin Luther Kings und Malcom X‘ aufkamen und die bis heute kulturell tief in der US-amerikanischen Gesellschaft verankert sind. Die Soul Food Kitchen honorierte den Einfallsreichtum und das Können, eine eigenständige unverwechselbare Küche mit begrenzten Mitteln zu erschaffen.
Von der Unterdrückung bis zur eigenen Kultur
Die Geschichte des Soul Foods ist dabei sehr viel älter und reicht bis zu den Jahren der Sklaverei zurück, wo den schwarzen Sklaven nur die übrig gelassenen Speisereste des Hauses überlassen wurden, in dem sie gezwungen waren zu arbeiten. Zusammen mit teils heimlich selbst angebautem Gemüse entstanden somit ganz eigenständige Mahlzeiten – die ersten Soul Foods. Nachdem die Sklaverei im Jahre 1865 offiziell verboten wurden, waren die meisten Afroamerikaner nach dem wütenden Bürgerkrieg und aufgrund ihrer schlechten sozialen Stellung jedoch so arm, dass sich ihre Ernährung nicht erheblich verbesserte. Wer Glück hatte, konnte sich günstigstes und qualitativ minderwertiges Fleisch wie Zungen, Ohren und Knöchel vom Schwein leisten. Eine Tradition, die bewahrt wurde – auch heute noch sind sie traditionell beliebte Zutaten in der Soul Food-Küche.
Soul Food: Wenn Not erfinderisch macht
An den sozialen Rand der Gesellschaft gedrängt, durch mangelnde Bildung verarmt und aufgrund der vorherigen Sklaven-Herrschaft der Weißen in den ländlichen Gegenden verstreut, sahen sich viele Afroamerikaner dazu gezwungen, ihr Leben als Bauern zu bestreiten. Im Gegensatz zu ihren urbanen Brüdern und Schwestern, hatte diese soziale Stellung einen entscheidenden Vorteil: Sie konnten ihr Gemüse selbst anbauen, gingen Fischen oder jagten Tiere, um ihre einseitigen Mahlzeiten kreativ und abwechslungsreich zu komplettieren.
Wichtigstes Merkmal der Soul Food Kitchen ist – damals wie heute –, dass nichts verschwendet wird. Verdorbenes Brot wurde beispielsweise schnell in eine (Braten-)Füllung umgewandelt. Aus überreifen Bananen oder anderen Früchten entstanden verschiedene Puddings oder andere exotische Leckereien. Übrig gebliebene Teilstücke vom Fisch wurden zu Kroketten verarbeitet.
Es ist diese Kreativität aus wenigen, scheinbar kaum verwendbaren Zutaten etwas einzigartiges zu schaffen die Soul Food ausmachen. Ein Umstand, der viele kulinarischen Richtungen der USA geprägt hat. Nicht umsonst finden sich ähnliche Zutaten und Einfallsreichtum zum Beispiel in der Country Kitchen, aber vor allem auch in der Kreolischen- und Cajun-Küche.
Traditionen im Wandel der Zeit
Die wichtigsten Bestandteile und damit Grundnahrungsmittel der im ländlichen Süden verwurzelten Soul Food-Küche sind unter anderem Bohnen, Grüngemüse, Maismehl und Schweinefleisch. Maismehl wird dabei unter anderem für Brot, Hushpuppies (kleine frittierte Bällchen aus Eier, Milch, Backpulver und Zwiebeln, die als Beilage benutzt werden), Johnnycakes (auf Blech gebackenes Maisbrot) und als Ummantelung für gebratenen Fisch verwendet. Schweinefleisch findet in der Tradition der Soul Food Kitchen besonders gern und die meisten Verwendung; hier vor allem Füße, Hachsen, Ohren, Backen und Gekröse des Tieres. Diese liefern dabei einen spezifischen Geschmack beim Kochen von – vor allem – Gemüse, der einfach typisch für Soul Food ist. Schweinefett wird übrigens auch gerne zum Braten verwendet.
Kochtradition mit großen regionalen Unterschieden
Das große Kochbuch der Soul Food-Kitchen sucht man allerdings vergeblich. Es gibt keine einheitlichen Rezepte der Gerichte. Diese weisen nämlich diverse regionale Unterschiede auf, da sich die afroamerikanische Bevölkerung natürlich über die gesamten USA verstreute; man orientierte sich nach erreichbaren und anbaubaren Ressourcen und Zutaten. Außerdem wurden die Rezepte auch nicht niedergeschrieben, sondern mündlich weitergegeben, da die Sklaven meist nicht schreiben und lesen konnten. Somit entstanden unterschiedliche Kochtraditionen. Und diese gelten sogar im Jahre 2015.
Back to the roots: Auf nach Afrika!
Auch heute verwenden verschiedene Familien für die gleiche Spezialität abweichende Zutaten und Zubereitungsmethoden. So ist der Geschmack niemals gleich. Und das liegt nicht nur an der kulinarisch-sozialen Entwicklung in den USA, und der weiten und beschwerlichen Reise aus der Sklaverei. Die afroamerikanische Soul-Food-Tradition verfügt nämlich über noch weiter zurückgehende Einflüsse – und die wurzeln in Afrika. Und das sollte man unbedingt einmal probieren. Für Berliner ist das Blue Nile ein absoluter Geheimtipp, während für Münchner das Restaurant Abyssinia Teff, für Frankfurter das African Queen und die Hamburger Elsa’s Restaurant & Bar zum Entdecken der Spezialitäten empfehlenswert sind.
Abgesehen von dieser neuen Back-to-the-roots-Bewegung, der Rückbesinnung auf afrikanische Ursprünge, hat die Soul-Food-Küche auch einige überregional bekannte Speisen hervorgebracht. Darunter das Chicken Fried Steak, bekannt als Country Fried Steak – ein weich geklopftes Steak mit einem Mantel aus gewürztem Mehl (in der Pfanne gebraten) sowie panierte, gebratene Hühnchen-Teile und Fischstücke, langsam gekochter Ochsenschwanz, gebratene oder gekochte Geflügelinnereien und gegrillte Schweinerippchen. Wer kann, sollte sich da einmal komplett durchprobieren. Immerhin ist das ein echtes Essen mit Leib – und Seele!
Wer die besonderen Spezialitäten einmal probieren möchte – und es lohnt sich – stellen wir hier einmal unsere drei afrikanischen Lieblings-Restaurants in Berlin genauer vor.
Massai - authentische Gerichte von Nord- bis Südafrika
Lust, den Alltag mit einer Prise Exotik zu veredeln? Das Berliner Massai ist dafür jedenfalls die perfekte Adresse. Das afrikanische Restaurant im Prenzlauer Berg ist bekannt für Spezialitäten aus allen Regionen Afrikas. So kann man hier das aus Westafrika stammende Gericht Fufu genauso probieren wie ostafrikanisches Injera oder für Nordafrika typische Tajine. Ein besonderes Highlight sind hier die Mama Afrika Menüs, die aus drei Gängen bestehen und in verschiedenen Varianten serviert werden: mit Fleisch, mit Fisch und vegetarisch.
Lychener Str. 12, 10437 Berlin, Mo – Do: 16 – 00 Uhr, Fr – So: 13 – 00 Uhr
Blue Nile - Äthiopische Kaffeezeremonie
Das Blue Nile gehört in der Hauptstadt zu den absoluten Top-Adressen, wenn es um afrikanische Restaurants geht. Zu finden ist das Restaurant, das sich auf äthiopische Küche spezialisiert hat, in Kreuzberg direkt am Landwehrtkanal. Im Blue Nile kann man aber nicht nur ganz viele traditionelle Gerichte schlemmen (es gibt eine Auswahl mit Fisch und Fleisch sowie für Vegetarier), sondern auch an einer echten äthiopischen Kaffeezeremonie teilnehmen.
Tempelhofer Ufer 6, 10963 Berlin, Mo – So: 15 – 00 Uhr
Lalibela - äthiopisches Soulfood und Wohnzimmeratmosphäre
Um die Ecke vom bekannten Kreuzberger Kino Rollberg kann man im angesagten Schillerkiez den wahren Geschmack Äthiopiens kennenlernen. Das Lalibela in der Herrfurthstraße serviert jede Menge traditionelle Spezialitäten in einem gemütlichen Ambiente mit Wohnzimmeratmosphäre. Probieren kann man hier unter anderem Doro Wat, hinter dem sich eine gekochte Hühnerkeule, mit gekochtem Ei, scharfer Paprikasoße, Zwiebeln, Knoblauch und Tomaten verbirgt. Wer lieber etwas vegetarisches möchte, nimmt Mesir Wat, ein Linsengericht mit Zwiebeln und leckerer Sauce, das hier nach einem alten Familienrezept zubereitet wird.
Herrfurthstraße 32, 12049 Berlin, Mo – So: 14 – 00 Uhr