David Bowie und der Lila Shepherd’s Pie
Ein Abend mit Sophia Hoffmanns vegan-bunter Küche
Sophia Hoffmann ist vielbeschäftigt. Als Journalistin und Bloggerin schreibt sie nicht nur über die vegane Küche, sondern zeigt in Kochkursen und ihrem eigenen YouTube-Channel wie leicht sich vegane Leckereien zubereiten lassen. Ganz nebenbei schreibt sie auch noch sehr lesenswerte Kochbücher und veranstaltet regelmäßige Dinnerabende, auf denen sie in Berlin, Hamburg, München und Wien unter einem bestimmten Motto für viele Gäste mehrgängige vegane Menüs kocht. Dass Kochen für sie aber nicht nur Job, sondern Leidenschaft ist, merkt man sofort, wenn sie von ihrer Arbeit erzählt. Quisine hat mit der sympathischen Köchin über ihr David-Bowie-Tribute-Dinner in der Berliner Blogfabrik, veganes Essen und ihre Pläne gesprochen und bei der Gelegenheit natürlich auch ihre kreativ-leckeren Gerichte gekostet.
Das Thema dieses besonderen Supper Clubs ist David Bowie. Wie bist du auf die Idee gekommen?
Ich war unheimlich traurig an dem Tag, als bekannt wurde, dass David Bowie gestorben ist, und habe sogar ein bisschen geweint. Mir ist da noch mal so richtig bewusst geworden, was für einen großen Einfluss Bowie in vielen Bereichen hatte – natürlich musikalisch, aber auch als Künstler und Stil-Ikone. Die Idee, daraus auch ein Dinner für meinen Supper Club zu machen, kam mir schon am gleichen Tag. Ich habe früher viel als DJ aufgelegt und Motto-Parties mit Verkleiden veranstaltet. Deshalb waren Glam-Rock und Bowie für mich immer eine große Inspiration. Zunächst hab ich es mehr oder weniger im Scherz gesagt, dass es ja nur konsequent wäre, das als ein Dinner-Thema umzusetzen, aber als mir auf Facebook ein Freund schrieb, dass er dafür extra aus Wien kommen und mir helfen würde, fand ich das so cool und habe beschlossen: Dann mach ich das jetzt und setzte Bowie auf diese Art eine Hommage.
Wie lange hast du für die Vorbereitungen für das Dinner gebraucht?
Insgesamt haben die Vorbereitungen recht lange gedauert. Anders als bei meinen bisherigen Dinner-Mottos, gibt es bei „Let Them Eat Bowie – David-Bowie-Tribute-Dinner“ kein bestimmtes Farbkonzept oder Ähnliches. Es ist ein großes Thema mit entsprechend vielseitiger Inspiration. Ich musste mir ganz genau überlegen, wie ich das umsetzen kann und inwiefern meine Ideen für Gerichte etwas mit Bowie zu tun haben. Ich habe dann versucht, mein Menü ein bisschen nach Musik- und Lebensphasen von Bowie zu unterteilen. Er war ja in allem, was er gemacht hat, stets sehr extrem und genau so sind dann schließlich auch die einzelnen Komponenten des Dinners geworden. Es geht nicht darum, dass alle einzelnen Bestandteile perfekt miteinander harmonieren, sondern dass geschmacklich ganz viel passiert.
Kannst du etwas mehr zu den einzelnen Gängen erzählen?
Das David-Bowie-Tribute-Dinner besteht insgesamt aus vier Gängen, mit vielen unterschiedlichen Komponenten. Los geht es mit einem Amuse Gueule, einer Art Vor-Gang. Hier habe ich versucht, Bowies Zeit bevor er berühmt wurde, kulinarisch umzusetzen. Damals hat Bowie sehr viel ausprobiert und unter anderem in einer Hippie-Band gespielt. Ich habe den Gang „Nice tries“ (nette Versuche) genannt als Anspielung auf den Rock’n’Roll-Einfluss, die Hippie-Phase und seine Zeit als Mod, der er ja auch war. Hier gibt es dann das berühmte weiß-blau-rote Mod-Emblem aus Gemüse. Für den Hippie habe ich ein lilafarbenes Brötchen mit Wildblüten und rotem Pesto zubereitet und für die Rock’n’Roll-Phase, die ich stark mit schwarzer Musik und den Südstaaten assoziiere, gibt es in BBQ-Sauce marinierte Cauliflower Wings, die an klassische Chicken Wings erinnern.
Die Vorspeise bildet ein veganer Sheperd’s Pie. Ich habe recherchiert und angeblich soll eines von Bowies Lieblingsgerichten Sheperd’s Pie gewesen sein. Das fällt zeitlich in seine Phase als Ziggy Stardust, weshalb ich den Pie auch mit dem typischen Blitz dekoriert habe.
Klingt fantastisch. Wie geht’s weiter?
Bei der Hauptspeise habe ich mich von den 80er und 90er Jahren inspirieren lassen und versucht, das Fame-Thema – Bowies Weltruhm – und die Liebesgeschichte mit Iman – weshalb es übrigens auch etwas Somalisches gibt – auf den Teller zu bringen. Für das Berühmte hab ich ein Trend-Gericht der 80er Jahre vegan interpretiert, nämlich einen veganen Tomaten-Mozzarella-Spieß mit selbst gemachtem Mozzarella auf Cashewbasis. Das Somalische ist eine Polenta aus Hirse und Maismehl. Das was süchtig macht, ist Avocado. Ich finde, Avocado ist toll. Die Avocado serviere ich auf einem Bratling aus Okara. Das ist ein Nebenprodukt bei der Tofu-Herstellung und passt deshalb perfekt in den Bowie-Kontext, weil er selbst auch gerne Kleidung von Yōji Yamamoto getragen hat und eine starke Verbindung zu Japan hatte. Das Okara bekomme ich von einer Tofu-Manufaktur aus Kreuzberg. Im Gegensatz zu Japan, wo man Okara häufig weiterverarbeitet, ist es hier ein Überschuss-Produkt und deshalb nicht so leicht zu bekommen.
Zum Nachtisch meines David-Bowie-Tribute-Dinners gibt es schließlich einen dunklen, sternförmigen Keks mit einer selbst gemachten Schoko-Kirsch-Eiscreme und ein veganes Baiser aus Aquafaba mit einer Kumquat. Genannt habe ich den Gang „Black Star meets The Thin White Duke“, nach Bowies Figur Thin White Duke und dem Titel seines letzten Albums.
Wow, das ist eine Menge. Wie lange hast du denn für den Prozess des Menüs von der Idee bis hin zum fertigen Gericht gebraucht?
Das kann ich gar nicht so genau sagen. Gerade wenn ich im Winter, so wie eben für dieses Dinner, neue Gerichte entwickle, stehe ich zeitlich ziemlich unter Druck, wenn ich bei Tageslicht noch ein Foto von dem fertigen Essen machen möchte. Ohne vernünftiges Tageslicht sieht ein Essen auf einem Foto einfach nicht gut aus. Und deshalb richte ich mir Zeitfenster ein, in denen ich das Gericht entwickelt, gekocht und fotografiert haben möchte. Aber insgesamt habe ich mehrere Tage dafür gebraucht, weil Menü und Thema recht komplex und aufwendig sind.
Sind die Rezepte denn alle neu oder hast du das ein oder andere davon vorher schon einmal gekocht?
Nein, alle Gerichte für diesen Abend sind neu. Es kann aber sehr gut sein, dass ich sie auch nur einmal kochen werde. Wobei ich in verschiedenen Städten bestimmte Menüs auch schon drei-, fünf- oder sechsmal gekocht habe. Wer weiß…?
Braucht man für das Entwickeln von eigenen Rezepten bestimmte Fähigkeiten oder besonders viel Ahnung von Lebensmitteln und deren Aromen?
Ich denke, das ist alles eine Frage der Übung. Das Menü zu meinem David-Bowie-Tribute-Dinner ist aber auch untypisch im Vergleich zu den Gerichten meiner bisherigen Dinnerabende. Wenn ich ein Menü entwickle, achte ich grundsätzlich darauf, dass die einzelnen Bestandteile miteinander harmonieren – also es sollte etwas Weiches, etwas Knuspriges, etwas Intensives und etwas Mildes vorhanden sein. Ich spiele gerne mit diesen Komponenten und wenn ein Menü sehr gegensätzlich ist, dann ist das immer beabsichtigt. Aber insgesamt achte ich natürlich sehr darauf, dass alles harmonisch ist.
Deine Gerichte sind ja generell alle sehr farbenfroh. Wie machst du das?
Ich lass mich gerne von Lebensmitteln und deren natürliche Farben inspirieren. Damit kann man unheimlich viel machen. Rotkohl oder Erbsen zum Beispiel, kennt jeder von uns, aber wenn man solche Lebensmittel viel stärker in Kontrast zueinander setzt, dann wirken sie eben auch farbenfroher. Die Natur macht alles von allein, da braucht man keine künstlichen Farbstoffe.
Und woher beziehst du die Lebensmittel, die du für deine Dinner verarbeitest?
Unterschiedlich. Allgemein kaufe ich etwa 80 bis 90% Bio. Dabei bin ich nicht total streng, aber ich finde, dass Bio immer das kleinere „Übel“ ist. Tendenziell ist die Qualität natürlich besser als bei konventionellen Lebensmitteln und man weiß immer, dass es auch besser produziert wurde. Ansonsten gehe ich am Wochenende gerne mal auf den Markt in Kreuzberg und es gibt zudem einige Produzenten, die vielleicht nicht alle Bio-Richtlinien erfüllen, aber trotzdem eine tolle Qualität haben und nachhaltig produzieren, bei denen ich ebenfalls gerne einkaufe. Generell kaufe ich nur Produkte mit einem großen Augenmerk auf Qualität und Regionalität.
Wie und was kochst du denn für dich privat?
Das ist ganz verschieden. Ich propagiere ja stark, dass man sich auch dann die Zeit nehmen sollte, etwas Schönes zu kochen, wenn man alleine isst. Es gibt Tage, da koche ich für mich etwas ganz Tolles oder beginne den Tag mit einem ausführlichen Frühstück. Aber ich kenne natürlich auch die Tage, an denen ich nicht so viel Lust habe oder keine Zeit, um lange in der Küche zu stehen und da mache ich mir dann schnell einen Salat oder schmeiße etwas Gemüse in den Ofen.
Was isst du selbst gerne?
Es gibt ein paar Sachen, die könnte ich jeden Tag essen – asiatische Küche, leckere Suppen und Curries. Da habe ich auch nicht unbedingt den Anspruch, das selber kochen zu müssen. In Berlin gibt es tolle asiatische Restaurants an jeder Ecke mit einer großen Auswahl an veganen Gerichten. Für mich ist das eine ganz eigene Küche und irgendwie auch gesundes Fast Food. Außerdem mag ich arabische/fernöstliche Küche, Hummus, Tahini, Auberginen – da könnte ich mich reinlegen… Und: Kartoffeln in allen Varianten wie beispielsweise Kartoffelbrei. Wenn ich mich entscheiden müsste zwischen Nudeln und Kartoffeln, wäre ich ganz klar der Kartoffeltyp. Aber zum Glück muss ich mich ja nicht entscheiden.
Hast du denn in Berlin ein Lieblingsrestaurant, in dem du sehr gerne isst und das du uns empfehlen kannst?
Ja, ich könnte tatsächlich eins empfehlen: Die LAB KITCHEN in Kreuzberg. Das erinnert ein bisschen an eine Kantine und Lisa, die Betreiberin, ist eine wirklich tolle Köchin. Sie kommt aus einer Gastro-Familie und ist viel herumgereist. Sie war auf Bali, hat in Amerika und Australien gelebt und nun kocht sie in ihrem Restaurant sehr gesundes, vegetarisches und veganes Essen. Dort gibt es den besten Avocado-Toast der Stadt und süße gesunde Leckereien – wirklich mega-lecker und noch ein Geheimtipp.
Du lebst ja selbst seit vielen Jahren als Veganerin. Hast du noch einen Tipp für alle, die mit dem Gedanken spielen, sich vegan zu ernähren? Wie gelingt es, leichter auf Fleisch oder generell tierische Produkte zu verzichten?
Mein größter Tipp: Mit sich selber nicht zu streng sein. Vegan muss man nicht von heute auf morgen werden. Bei mir war das eine langsame Entwicklung. Ich war erst lange Vegetarierin. Wenn man damit anfängt, hat man gerade am Anfang noch mal Lust, hier und da ein Stück Käse zu essen. Ich sage: Dann mach’s! Worum es mir aber eigentlich geht, ist bewusster Konsum. Das war auch der Grund, warum ich mich in letzter Instanz dazu entschieden habe, vegan zu leben. Ich wollte mit dem Status Quo, wie tierische Lebensmittel produziert werden, einfach nichts zu tun haben. Für mich wäre schon viel erreicht, wenn viele Leute einfach weniger Fleisch essen und bei tierischen Produkten mehr auf die Herkunft achten würden. Es muss nicht immer nur billig und in rauen Mengen sein. Das ist auch für die Gesundheit nicht zuträglich.
Ich glaube, wir müssen wieder lernen, Lebensmittel insgesamt mehr wertzuschätzen. Da hatte ich mal ein exemplarisches Erlebnis. Vor einem Jahr sah ich, wie vor einem Supermarkt einem Mann ein Becher Joghurt runtergefallen ist. Der Becher war nicht kaputt, nur etwas eingeknickt und trotzdem hat er ihn in den Mülleimer geworfen. Wenn der Joghurt aber zweimal so viel kosten würde, dann hätte er ihn vielleicht nicht weggeworfen. Es ist einfach die Art, wie wir mit Lebensmitteln umgehen. Als Veganer lernst du mehr darauf zu achten, was in Produkten enthalten ist und liest Zutatenlisten. Man merkt schnell, dass man viele der verarbeiteten Stoffe ekelig findet. Selbst wenn ein Produkt vegan ist, sind da oft noch zu viele verarbeitete Inhaltsstoffe enthalten. Die Quintessenz ist daher: Egal, ob man tierische Produkte konsumiert oder nicht, je weniger stark verarbeitete Produkte desto besser und gesünder. Und am Besten ist sowieso viel frisches Obst und Gemüse.
Hast du denn bei dir selbst Veränderungen festgestellt, seit du vegan lebst?
Ja, gesundheitlich auf jeden Fall. Ich habe das Gefühl, seitdem weniger krank zu sein, obwohl ich mich ja schon immer gesund ernährt und viel Obst und Gemüse gegessen habe. Ich habe auch ein höheres Energielevel und fühle mich insgesamt fitter. Aber was ich auch total spannend finde, ist, dass die vegane Ernährung auch emotional etwas mit dir macht. Wenn man sich bewusst dafür entscheidet, dass niemand für dich getötet wird, dann gibt dir das eine Art von Frieden. Ich glaube, auch die Empathie anderen Menschen gegenüber wird höher. Und, ein bisschen ekliges Thema, aber nicht zu vernachlässigen, ist auch die Verdauung. Man kennt ja, wie schwer einem ein Schweinebraten oft im Bauch liegt und dieses Gefühl hab ich jetzt als Veganerin fast gar nicht mehr.
Das David-Bowie-Tribute-Dinner ist für eine Weile erst einmal das letzte. Welche Pläne hast du?
Ich fange im März mit meinem zweiten Buch an, das dann im September erscheinen wird. Darin werde ich 10 Menüs, die ich in den vergangenen Jahren für meine Supper Clubs entwickelt habe, überarbeiten und vorstellen. Zusätzlich werde ich in dem Buch weibliches Unternehmertun in den Fokus rücken. Im Rahmen der Menüs stelle ich 10 Unternehmen im vegetarisch-veganen Kontext vor, die von Frauen gegründet wurden. Das Thema ist in den vergangenen Jahren immer wichtiger für mich geworden. Frauen haben einen anderen, oft entspannteren Führungsstil und bilden in der Gastronomie immer noch die Ausnahme. Aber da „wächst was nach“ und da wir uns in unserem Arbeitsalltag gegenseitig unterstützen und inspirieren, möchte ich diese tollen Frauen auch mit in meinem Buch haben. Es wird im September 2016 im Edel Verlag erscheinen.