Im Gespräch mit Konstantin Pinskij

Masel Topf: Warum die jüdische Küche glücklich macht

Bei Oma schmeckt‘s eben doch am besten. Zumindest bei der jüdischen Großmutter von Konstatin Pinskij war das so. Sie kochte ihm nicht nur traditionelle jiddische Gerichte wie Farschmark, sondern inspirierte ihn auch dazu, ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Seit 2014 betreibt der studierte Ingenieur für Biotechnologie das Masel Topf in der Rykestraße im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg. Quisine hat mit Konstantin Pinskij über die jüdische Küche, gutes Essen und Lieblingsgerichte gesprochen.

Konstantin, macht jüdisches Essen glücklich?

Jüdisches Essen macht glücklich. Warum? Weil gutes Essen allgemein glücklich macht und genau das haben wir hier: gutes, leckeres Essen. Es ist eben so, wie unser Name verrät: Masel Topf bedeutet übersetzt so viel wie glücklicher Topf, glückliches Essen. Und genau deshalb wird man bei uns auch glücklich.

Was macht deiner Meinung nach die jüdische Küche so besonders im Vergleich zu anderen?

Die Vielfältigkeit. Die jüdische Küche an sich gibt es ja nicht. Juden sind schließlich auf der ganzen Welt verteilt – von Russland über Israel bis hin nach Deutschland und Amerika. Im Laufe der Zeit haben die Juden in den verschiedenen Regionen, in denen sie gelebt haben, eben auch ihre eigene Hausmannkost hervorgebracht. So ist die Küche der Juden in Israel stark an die arabische angelehnt, die der Juden in Russland an die russische und die der amerikanischen Juden setzt sich aus den Gerichten vieler verschiedener Kulturkreise zusammen. Und genau daraus ergibt sich die Vielfältigkeit der jüdischen Küche. Das heißt, man kann aus vielen verschiedenen Regionen etwas anbieten: etwas Orientalisches aus Israel, etwas Osteuropäisches aus Russland und etwas Europäisches aus Deutschland.

Du bist gelernter Ingenieur für Biotechnologie, da ist es nicht unbedingt naheliegend, ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Was hat dich trotzdem dazu bewogen, diesen Schritt zu gehen und dich in der Gastronomie selbständig zu machen?

Das hängt mit meiner Familiengeschichte zusammen, denn meine Mutter ist seit über 20 Jahren ebenfalls Gastronomin. Von daher hatte ich schon immer ein Faible für gutes Essen. Nach meinem Studium habe ich mich dann aber gefragt, was denn wirklich meine Leidenschaft ist. Das Studium hat mir zwar großen Spaß gemacht, aber in dem Bereich bis zum Ende meines Berufslebens zu arbeiten, konnte ich mir schließlich nicht zwingend vorstellen. Da gibt es andere Dinge, die mir viel mehr gefallen, wie eben das Essen. Das ist meine Lieblingsbeschäftigung. Und mit diesem familiären Background hatte ich durch meine Mama auch eine gute Lehrerin und den direkten Einstieg in die Gastronomie.

Dann wurde bei dir zu Hause sicher immer gut gegessen?

Oh ja. Meine Oma hat traditionell jiddisch gekocht und konnte sogar noch jiddisch sprechen. Was ich besonders gerne mochte, war Farschmak, eine Art Heringstatar mit Apfel. Man kann es ein bisschen mit einem Brotaufstrich vergleichen. Das haben wir übrigens ebenfalls hier auf unserer Karte zu stehen, allerdings in einer etwas anderen Form als das Rezept von meiner Oma – in einer modernen Variante.

Lecker: Vorspeise mit traditionellem Farschmak. Quelle: Pinskij & Partner GbR \[…\] [Weiterl](https://quisine.quandoo.de/stories/im-gespraech-mit-konstantin-pinskij/attachment/3/)

Das Masel Topf gibt es seit Mai 2014 und gehört seitdem zu den angesagtesten Lokalen der Hauptstadt. Ein spontaner Besuch bei dir ist nahezu unmöglich, da fast immer ausgebucht ist. Wie würdest du dein Erfolgsrezept beschreiben?

Ich denke, das ist auf drei wesentliche Punkte zurückzuführen, die wir hier im Masel Topf versucht haben, umzusetzen. Konkret bedeutet das: Wir legen großen Wert auf die Qualität, nicht nur beim Essen, sondern auch beim Service und dem Ambiente. Gerade beim Essen versuche ich mich von den anderen Lokalen im Umkreis abzuheben und etwas Hochwertigeres anzubieten. Leider ist die Lage des Restaurants nicht ganz optimal. Das ist mir erst bewusst geworden, als ich schon eine Weile in der Gastronomie tätig war. Die 20 Meter von der Ecke am Wasserturm bis hierher machen leider viel aus, denn es laufen weitaus weniger Leute am Restaurant vorbei als erwartet. Deshalb funktioniert es nicht, nur auf Quantität zu arbeiten. Das Ambiente sollte natürlich ebenfalls etwas Besonderes sein. Ich wollte hier etwas haben, mit dem wir uns von den anderen Restaurants in der Umgebung abheben.

Was gehört noch dazu?

Ich lege natürlich großen Wert auf gute Servicekräfte. Es ist wichtig, dass der Gast beim Essen eben nicht auf einen unfreundlichen Kellner trifft, dass man gut beraten wird oder mal ein kleines Gespräch miteinander führen kann. Neben der Qualität spielt meiner Meinung nach aber auch eine Rolle, wie das Essen auf dem Teller angerichtet und präsentiert wird. Klar, es muss besonders schmecken, aber es sollte sich ebenso optisch abheben. So kann man bei uns viele kleine Details entdecken, wie zum Beispiel Kresse auf dem Gericht oder verschiedene kleine Punkte aus unterschiedlichen Saucen am Tellerrand. Für uns ist es wichtig, dass es nicht einfach nur gut schmeckt, sondern dass alle Gerichte besser als gut schmecken.

Bist du denn bei der Entstehung der einzelnen Gerichte und deren Präsentation auf dem Teller mit involviert oder vertraust du da deinem Küchenchef voll und ganz und lässt ihm da freie Hand?

Nicht komplett, aber er hat natürlich sehr viele Freiheiten hier. Wenn wir zum Beispiel neue Gerichte konzipieren, dann setzen wir uns zusammen. Ich habe bestimmte Wünsche und Vorstellungen und er ist der Realisator, weil er die Technik und das Wissen hat, diese Wünsche umzusetzen. Wenn ich zum Beispiel ein Gericht mit Ente haben möchte, dann ist es seine Aufgabe, mir verschiedene Saucen und Beilagen zu nennen, die gut dazu passen. Wir entscheiden uns für eine Variante davon – und er hat freie Hand beim Zubereiten und Designen des Menüs.

Typisch jüdisch: Kreplach sind mit Hähnchen und Kalbfleisch gefüllte Teigtaschen und stehen auch im Masel Topf auf der Speisekarte. Quelle: Pinskij & Partner GbR \[…\]

Du selbst bezeichnest die Küche, die du im Masel Topf servierst, als bodenständige und modern-jüdisch mit Einflüssen russischer, deutscher und amerikanischer Kochkunst. Was hat dich dazu inspiriert, ein Restaurant mit jüdischer Küche in Berlin zu eröffnen und was sind die modernen Elemente in den Gerichten? Gefillte Fisch, das Pastrami-Sandwich oder Kreplach gehören ja eher zu den Klassikern der jüdischen Küche.

Ich gehe mal kurz auf den gefillten Fisch ein. Der gefillte Fisch, den wir hier servieren und der gefillte Fisch, den mir meine Oma früher serviert hat, sind zwei komplett unterschiedliche Gerichte. Der gefillte Fisch von meiner Oma war ein Karpfen, der mit Gehacktem vom Fisch und Rote Bete gefüllt in den Ofen kam und anschließend mit Kren serviert wurde. Schon sehr gewöhnungsbedürftig für deutsche Gaumen. Wir bereiten den Fisch anders zu. So nehmen wir keinen Karpfen, sondern ein Zanderfilet, auf den noch hausgebeizter Lachs kommt. Dazu gibt es Walnüsse und ein bisschen Blattspinat. Das alles wird anschließend zu einer Roulade gewickelt, in die oben eine Sauce – ein Apfelchutney – eingefüllt und anschließend im Ofen gegart wird. Wir garnieren den Fisch danach noch mit Gelber und Roter Bete, roter Zwiebelmarmelade, ein bisschen Sauce und Blattspinat. Also schon ganz anders, als der traditionelle gefillte Fisch. Nur die Grundidee ist gleich geblieben.

Auf der Karte sind unter anderem viele vegetarische Gerichte zu finden. Allerdings ist speziell die jüdisch-russische Küche nicht unbedingt bekannt dafür, viele fleischlose Speisen anzubieten. Wie gelingt dir da der Spagat zwischen vegetarisch und trotzdem jüdisch?

Ich denke, der Spagat gelingt uns, indem unsere Karte nicht aus hunderten Gerichten besteht, sondern aus einigen wenigen. Und da ist es wiederum nicht so schwer, 5 bis 10 vegetarische Gerichte zu finden. Aber es stimmt schon, ein Großteil der jüdischen oder russischen Küche ist sehr fleischlastig. Im Jüdischen gibt es allerdings die Trennung zwischen milchigen und fleischigen Speisen und deshalb gibt es doch einige Gerichte, die man als vegetarisch anbieten kann, wenn man sich nur auf den milchigen Aspekt konzentriert. Nur vegan ist in der jüdischen Küche – und damit auch bei uns – eher schwierig.

Rustikale Holzmöbel, gemusterte Tapeten, Kronleuchter und alte Fotos – nicht nur das Essen, auch die Einrichtung deines Restaurants ist etwas Besonderes und soll – wie du selber einmal erzählt haben – ans Moskau der 20er Jahre erinnern. Was verbindest du mit dieser Zeit und warum hast du dein Restaurant in diesem Stil eingerichtet?

Was ich damit verbinde? Meine Großeltern. Ich fand es immer schön, wenn ich als Kind bei ihnen war. Ihre Einrichtung war natürlich im alten Stil gehalten und das ist ein elementarer Teil meiner Kindheitserinnerungen. Die jüdische Küche hat für mich daher immer etwas mit meiner Oma zu tun und ich wollte, dass das Ambiente im Masel Topf genau dazu passt. Es soll authentisch sein. Und ich denke, eine moderne jüdische Küche in einem modernen Ambiente zu servieren, kann ich nicht verkörpern, weil ich das so nicht kenne.

Ein russisches Wohnzimmer der 20er Jahre war Vorbild für die Einrichtung im Masel Topf. Quelle: Pinskij & Partner GbR \[…\]

Welches Gericht auf der Karte des Masel Topf wird denn besonders gern bestellt?

Ich führe über alles, was bei uns bestellt wird, Statistik. Da kommt mir mein Ingenieursstudium zu Gute. Anhand der Statistik sehe ich natürlich genau, welches Gericht besonders gern bestellt wird. Es gibt bei den Hauptspeisen ein Gericht, welches besonders gut läuft: Momes Fläischrulet. Das sind Kalbsrouladen gefüllt mit Mozzarella, Spinat und getrockneten Aprikosen. Dazu gibt es eine Rotweinjus und Gemüse-Quiche. Das schmeckt nicht nur sehr, sehr gut, es sieht auch schön auf dem Teller aus. Und es macht satt – aber nicht zu satt, sondern so, dass noch ein Dessert reinpasst. Momes Fläischrulet hat sich zu unserem absoluten Renner entwickelt.

Und wenn ein Gericht nicht so gut läuft, wird das dann von der Karte gestrichen?

Ja, klar. Da ich versuche, über jede Veränderung genau Buch zu führen, sehe ich natürlich sofort, wenn ein Gericht nicht so gut bei den Gästen ankommt und kann dementsprechend Änderungen an der Speisekarte vornehmen. Seit 2014 hat sich unsere Karte schon mehrmals verändert. Grundlegendes, was gerne und oft bestellt wird, bleibt natürlich bestehen, aber andere Gerichte, die eben nicht stabil laufen, werden dann abgewandelt. Es könnte zum Beispiel daran liegen, wie das Gericht auf unserer Karte präsentiert wird. Bedeutet: Die Beschreibung ist nicht gut. Das ändere ich erst als erstes. Wenn sich danach immer noch nichts verändert, heißt es: Es kommt nicht gut an – oder wenn es einmal gut lief und plötzlich nicht mehr, bedeutet das, die Gäste haben es probiert und es schmeckt ihnen einfach nicht. Dann wird es schon mal von unserer Karte gestrichen.

Gibt es Gäste, die mit Vorurteilen gegenüber der jüdischen Küche in dein Restaurant kommen – vielleicht, weil sie selber noch nie ein jüdisches Gericht probiert haben? Und wie schaffst du es, ihnen diese Vorbehalte zu nehmen?

Die Leute, die hierherkommen, um bei uns im Masel Topf zu essen, sind vorurteilsfrei. Ich denke, sollte jemand tatsächlich Vorurteile haben, dann kommen sie gar nicht erst zu uns. Nur einmal, kurz nach der Eröffnung, gab es eine denkwürdige Situation. Da hatte eine Gruppe von 15 Personen reserviert. Sie dachten, wir wären ein russisches Restaurant und als sie gemerkt haben, dass wir aber ein Lokal mit einer jüdischen Karte sind, haben sie sich wortlos umgedreht und sind gegangen.

Gibt es denn ein spezielles Gericht, das du Gästen empfiehlst, die zum ersten Mal ins Masel Topf kommen und die eben noch keine Erfahrungen mit der jüdischen Küche gemacht haben?

Es gibt ein ganz traditionelles Schabbat-Gericht. Das ist reine Hausmannskost und wird sogar von uns nicht sonderlich modern interpretiert. Es heißt Tscholent und ist ein Bohneneintopf mit geschmortem Fleisch – sehr simpel, aber eben auch sehr lecker. Wenn man das einmal probieren möchte, muss man an einem Freitag oder Samstag vorbeikommen. Das widerspricht zwar dem religiösen Gebot, dass man an einem Samstag nicht arbeiten darf, aber ich orientiere mich in Masel Topf mehr an der jüdischen Nationalität als an der Religion. Würde ich den religiösen Aspekt mit einbeziehen, dann müsste ich ebenfalls koscheres Essen anbieten – und das mache ich nicht. Generell ist koscher in Berlin sehr schwierig, gerade, wenn man am Ende wirtschaftlich arbeiten möchte.

Aber du hast doch auch koscheren Wein auf der Karte. Warum diese Trennung?

Woran ich mich orientiere, ist Kosher-Style. Das gibt es nicht wirklich, sondern habe ich selbst erfunden. Aber mir ist es wichtig, keine unkoscheren Tiere auf der Speisekarte anzubieten. Das bedeutet: kein Schwein, kein Tintenfisch, keine Raubvögel. Außerdem probiere ich, milchige und fleischige Speisen zu trennen. Das ist uns allerdings noch nicht vollständig gelungen, auch, weil wir ja einige Gerichte der russischen Küche anbieten und da gibt es viel milchig und fleischig zusammen. So wie beim Beef Stroganov. Das wird von unseren Gästen sehr gut angenommen, viele kommen sogar extra deswegen. Es wäre unseren Gästen gegenüber nicht fair, wenn wir das Gericht von der Karte streichen, weil es nicht den koscheren Speisevorschriften entspricht. Zu unserem Wein muss ich sagen, dass der streng genommen nicht mehr koscher ist, sobald ihn ein nicht-jüdischer Kellner angefasst hat. Somit ist das mit dem koscheren Wein mehr ein Gimmick. Wir beziehen den Wein allerdings aus Israel.

Lieblingsgericht: Momes Fläischrulet. Konstantin Pinskij genießt die Kreationen seines Chef-Kochs Igor. Quelle: Pinskij & Partner GbR \[…\]

Welches Gericht in deinem Restaurant ist dein ganz persönlicher Favorit?

Ich arbeite hier schon zu lange, um sagen zu können, welches unserer Gerichte mein Lieblingsessen ist, weil ich alles gefühlt schon tausende Male probiert habe und das ja zu meiner täglichen Arbeit gehört. Wenn wir etwas Neues auf unserer Monatskarte anbieten oder mein Koch speziell mal etwas für mich zubereitet, dann ist das in dem Augenblick natürlich mein Lieblingsessen. Wenn ich mich aber auf ein Gericht festlegen müsste, was ich in der ganzen Zeit am häufigsten gegessen habe, dann ist das Momes Fläischrulet – für mich das ausgewogenste Gericht: Es liegt nicht schwer im Magen und schmeckt sehr gut. Momes Fläischrulet geht eigentlich immer.

Vielen Dank für das Gespräch.Tisch im Masel Topf reservieren

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