Im Gespräch mit: Foodbloggerin Luisa Weiss
Luisa Weiss und die Geheimnisse deutscher Backtraditionen
Wenn in der Adventszeit wieder Stollen, Lebkuchen und Plätzchen gebacken werden, gibt es eigentlich nur zwei Dinge, die noch besser sind, als die fertigen Kekse selbst: heimlich vom süßen Teig naschen und dann der verheißungsvolle Duft frisch gebackener Lebkuchen oder Zimtsterne, der sich langsam in der ganzen Wohnung ausbreitet und uns noch Tage später in der Nase kitzelt. Wenn man sich in Deutschland auf Weihnachten vorbereitet, dann backt man nicht nur eine Sorte Plätzchen. In einem kleinen Backmarathon (und der kann je nach Teig, den man für das Weihnachtsgebäck zubereiteten muss, auch schon mal mehrere Wochen in Anspruch nehmen) entstehen Vanillekipferl, Kokosmakronen, Spekulatius und Christstollen. Ja, das weihnachtliche Backen muss eben gut geplant und akribisch vorbereitet werden. Und das weiß niemand so gut wie Luisa Weiss.
Von Gebäck-Klassikern und unbekannten Torten-Kreationen
Mehr als 1,5 Jahre hat die in Berlin lebende Autorin gebraucht, um ein Buch über die klassischen deutschen Backtraditionen zu schreiben. Dabei hat sie nicht nur akribisch die bekanntesten (Käsekuchen, Butterkekse) und weniger bekannten (Hannchen-Jensen-Torte, Knerken) deutschen Rezepte für Brot, Brötchen, Kuchen, Torten und Kekse zusammengetragen, sondern gewährt auch spannende Einblicke in die Geschichte der jeweiligen Rezepte, erzählt über die Eigenarten bei der Zubereitung und gibt wertvolle Tipps zu den Zutaten. Wir haben mit Luisa Weiss, die seit 2005 auf ihrem preisgekrönten Blog The Wednesday Chef über ihre Erlebnisse in der Küche schreibt, über ihr neues Buch „Classic German Baking“ und über ihre Lieblings-Weihnachtsplätzchen gesprochen.
Es ist nicht mehr lange bis Weihnachten. Hast Du schon angefangen, Plätzchen zu backen? Welches Weihnachtsgebäck darf bei dir auf keinen Fall fehlen?
Eigentlich wollte ich in diesem Jahr eine Pause vom Weihnachtsbacken einlegen, nachdem ich so lange an dem Buch gearbeitet habe (und ich schon im 8. Monat schwanger bin). Aber ich habe gerade drei Tage damit verbracht für meinen Sohn und vier seiner Freunde Lebkuchenhäuser zu backen. Dann habe ich noch Stollenkonfekt, Spekulatius und Elisenlebkuchen gebacken. Nächste Woche kommen Springerle dazu.
Hast du ein paar Backrezepte – vielleicht sogar Rezepte für Weihnachtsgebäck – die ganz exemplarisch für die deutsche Backtradition stehen?
Definitiv die altmodischen Lebkuchen, die mit Pottasche gesäuert werden und die zwei ganze Monate lang reifen müssen. Und natürlich Springerle mit Anisgeschmack, die außerdem ein bisschen handwerkliches Geschick verlangen. Und natürlich Zimtsterne, die man sehr sorgfältig herstellen muss – aber dafür lohnt es sich.
Was war für dich denn das Schwierigste bei der Recherche und beim Aufschreiben der einzelnen Rezepte für dein Buch Classic German Baking?
Das Schwierigste war eigentlich, die Rezepte immer absolut korrekt darzustellen. Also, sie so aufzuschreiben, dass, wenn man ihnen Schritt für Schritt folgt, am Ende das perfekte Ergebnis hat. In Deutschland backt man zu Hause viel freier als in Amerika. Ich habe mich deshalb selbst ein wenig unter Druck gesetzt, alle Rezepte zuerst ausgiebig zu testen und sie dann so genau wie möglich aufgeschrieben.
In der Süddeutschen Zeitung war zu lesen, dass du insgesamt ganze 17 Monate gebraucht hast, um das Buch fertigzustellen.
Das stimmt. Die deutsche Backkunst ist sehr komplex.
Du hast schon in deinem ersten Buch “My Berlin Kitchen” geschrieben, dass die deutsche Backkunst – speziell die Weihnachtsbäckerei – so kompliziert ist wie keine andere. Was macht die klassischen deutschen Backrezepte denn deiner Meinung nach so komplex?
Das ist zum einen die Vielfältigkeit der unterschiedlichen Plätzchen und Backwaren und zum anderen die breite Auswahl an Teigarten, die verschiedenen und oft sehr langen Reifungszeiten. Aber auch die Art der Vorbereitung ist immer wieder anders und kann sehr zeitaufwendig sein.
Gibt es ein bestimmtes Publikum, für das du dein Buch geschrieben hast? Und glaubst du, dass die deutsche Art Gebäck herzustellen einen Einfluss auf andere Backtraditionen hat?
Mit meinem Buch möchte ich ein wenig Licht ins Dunkel einer Backtradition bringen, die weniger bekannt ist und die in den USA (und vielleicht auch anderswo) oftmals unterschätzt wird. Es soll aber auch denjenigen helfen, die eine Verbindung zu ihren deutschen Wurzeln herstellen möchten. Die deutsche Art zu Backen ist das Fundament der amerikanischen Backtradition, obwohl das oft nicht so gesehen wird. Alles – vom Donut über die Brezeln bis hin zum klassischen Kuchen zum Kaffee entstand aus der deutschen Backtradition heraus. Pläne für eine Übersetzung des Buches ins Deutsche gibt es aber nicht.
Du hast 10 Jahre lang in New York gelebt und bist nur im Urlaub einmal im Jahr zurück nach Berlin gekommen. Welche Besonderheiten der deutschen Cuisine hast du dort besonders vermisst?
Besonders habe ich die Traditionen hinter dem Essen vermisst. Wobei ich aber auch lange nach Sachen wie Pflaumenkuchen gesucht habe, den man in den USA einfach nirgends bekommen kann. Die Treffen am Wochenende zum Tee, die Gemütlichkeit in der Adventszeit. Diese gesellschaftlichen Aspekte der Backtradition haben mich am meisten an der deutschen Backkunst fasziniert.
War es schwer für dich, dort an authentische deutsche Backwaren zu kommen?
Oh ja, das war es. Aber ich habe eben in New York gelebt, wo es ein paar Orte gibt – wie etwa das Wiener Café Sabarsky in der Neuen Galerie, die köstlichen Strudel und Blechkuchen haben. Dann gibt es noch Bread Alone – auch eine sehr gute Bäckerei im Norden von New York, die eine gute Kopie des deutschen Vollkornbrotes backen. Aber im Großen und Ganzen sind deutsche Backwaren nicht leicht zu bekommen in den USA.
Dein Buch Classic German Baking ist eine Reise quer durch alte Backtraditionen von Brot, Kuchen und Gebäck. Aber wie siehst du die Zukunft deutscher Backkunst? Erkennst du da einige Trends oder entdeckst neue Rezepte von hier?
Mein persönlicher Fokus liegt auf den Klassikern. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass man in Deutschland lernt, diesen sehr bemerkenswerten Kanon zu bewahren und zu schätzen. Er ist ein großer Teil der Kultur und von den günstigen und allgegenwärtigen Bäckereien bedroht , die gefrorene Brötchen und Teigwaren backen.
Deine Mutter ist Italienerin – deswegen weißt du sicherlich recht viel über die italienische Küche. In welchen Aspekten unterscheidet sich die italienische Art der Zubereitung von Gerichten von der Deutschen? Hat dich dieses Wissen beim Schreiben des Buches beeinflusst?
Die Italiener können sehr genau sein, wenn es um ihr Essen geht. Also, welche Sauce passt zu welcher Pasta, welche Zutaten sind auf keinen Fall erlaubt in einem bestimmten Rezept, welches Rezept muss präzise nach Anleitung befolgt werden usw. Das gefällt mir persönlich sehr, denn ich bin ein großer Fan von aufgeschriebenen Rezepten. Ich mag es, sie zu lesen und sie dann zu befolgen. Ich war Herausgeberin für Kochbücher, deshalb mag ich es auch, Rezepte zu schreiben. Diese Erfahrung hat mir sehr geholfen, als ich an meinem eigenen Buch gearbeitet habe, weil ich die einzelnen Rezepte sehr detailliert herausarbeiten konnte. Auch wenn der deutsche oder österreichische Bäcker selbst sehr viel lockerer und freier mit einem Rezept umgeht und bei der Linzer Torte zum Beispiel statt Haselnüsse eher Walnüsse für den Boden verwendet.
Was steht bei dir als nächstes an? Arbeitest du schon an einem neuen Projekt?
Ich bereite mich gerade auf die Geburt meines Babys vor!
Classic German Baking von Luisa Weiss, Ten Speed Press, 1. Auflage, 35 €. Erschienen am 18. Oktober 2016 auf Englisch.